Dörfer wie Flonheim organisieren im Kunstradfahren Spitzensport

Die Adelberggemeinde ist in Deutschland eine Hochburg des Kunstradsports. Ein Dorf mit 2640 Einwohnern – außergewöhnlich. Oder doch eher nicht? Wer sich die Ergebnislisten...

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FLONHEIM. Die Adelberggemeinde ist in Deutschland eine Hochburg des Kunstradsports. Ein Dorf mit 2640 Einwohnern – außergewöhnlich. Oder doch eher nicht? Wer sich die Ergebnislisten der jüngsten Deutschen Nachwuchsmeisterschaft anschaut, findet dort viele Ortschaften von der Größenordnung Flonheims. Mal ein bisschen größer, mal ein bisschen kleiner. Aber Großstädte, das ist die absolute Ausnahme.

Zufall ist es nicht, dass der Kunstradsport ausgerechnet in kleinen Gemeinden wie Flonheim, Wörrstadt, Saulheim oder – um an die international renommierten Bugners zu erinnern – in Klein-Winternheim zuhause ist. Das sagt Marco Rossmann, der Jugendsekretär beim Bund Deutscher Radfahrer: „Dafür gibt es sicher viele Gründe“, reflektiert er und beginnt zu erzählen.

Ein wichtiger Faktor, so der 35-Jährige, sei das Freizeitangebot, mit dem der Hallenradsport als Randsportart in den Städten konkurrieren müsse. Oft genug verlöre er da. Auf dem Land hingegen hätten Angebote, die in Städten Nischen besetzten, einen weitaus höheren Stellenwert. Einfach, weil es deutlich weniger Alternativen gibt.

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Die Kunstradsport-Vereine schafften in ländlichen Regionen ein attraktives Freizeitprogramm, insbesondere für Kinder und Jugendliche. Viele lebten, wie jeder andere Sportklub auch, für den Wettkampfsport. Demnach liegt es in der Natur der Sache, dass sie bei Deutschen Meisterschaften und internationalen Wettbewerben sehr präsent sind.

In Städten, beobachtet Rossmann, gibt es andere (leistungs-) sportliche Schwerpunkte. „Dort sind es meist die Mannschaftssportarten – insbesondere der Fußball –, die das Geschehen bestimmen und Sponsorengeld an sich binden“, meint der Hesse.

Hinzu, so seine Erfahrungen, kommt die Hallenproblematik, die in vielen Ballungszentren herrscht. „Wenn sich da ein Kunstrad- oder Radballverein nicht längst positioniert hat, dann wird es sehr, sehr schwer, sich gegen Handball, Basketball und anderen Hallensportarten durchzusetzen.“

Da haben es die Vereine in kleinen Gemeinden mutmaßlich etwas einfacher. Rossmann: „Eine Sporthalle gibt es eigentlich überall. Und uns reichen schon kleine Trainingsstätten“. In der Tat: Die Radsportler sind schon mit einer Fläche von 14 auf elf Meter zufrieden. Darauf zaubern sie gleich drei verschiedene Sportarten: Kunstradfahren, Radball und Radpolo.

Erst waren es Wirtschaften, dann Radsporthallen

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Nicht zu vergessen ist die Historie, die das Kunstradfahren hat. Zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts und in Nachkriegszeiten wurden oftmals Säle von Wirtshäusern zum Training sowie für Wettkämpfe genutzt. Daher auch die ursprüngliche Bezeichnung „Saalradsport“. Später entstanden spezielle Radsporthallen, die auch in Rheinhessen weit verbreitet waren. Belebt wurden sie von Enthusiasten, die in dem Sport aufgingen. Rossmann: „Meistens stehen ganz bestimmte Personen, ja sogar ganze Familien, hinter dem Erfolg eines Vereins. So wie das Team um Herrn Wolf in Flonheim.“

Gäbe es mehr solcher Idealisten, Rossmann ist sicher: Der Kunstradsport ließe sich auch in Städten stärker popularisieren. Worms, wo der VfH hervorragende Arbeit leistet, ist ein gutes Beispiel für diese These. Der Experte: „Mit einem ähnlichen hohen ehrenamtlichen Engagement könnte in Hamburg, München oder Berlin Ähnliches geleistet werden.“

Rund 140000 Radsportlerinnen und Radsportler zählt der facettenreiche Radsportverband. 6500 von ihnen sind im Hallenradsport unterwegs, darunter die Sportlerinnen von der TSG Flonheim, die bei den jüngsten Deutschen Jugend-Meisterschaften in Nufringen einmal mehr demonstrierten, dass sie in der nationalen Spitzenklasse angekommen sind. Als SG Flonheim/Gau-Algesheim gewannen Lilly Altschäfl, Michelle Gallé, Lena Laubenheimer und Mareen Ohrt im Vierer-Einrad Juniorinnen Bronze. Neben dieser Medaille des „Rheinhessen-Vierers“ gab es Rang sieben für das zweite TSG-Einradteam, welches im Vierer-Kunstradfahren zudem Platz sechs belegte. Allesamt sorgten sie dafür, dass der Name Flonheim in den Ergebnislisten präsent war. In der Szene weiß man, wo die Adelberggemeinde liegt. Ihre Sportlerinnen schaffen Bekanntheit.