Kunstrad-WM: Rheinhessen seit 2003 erstmals wieder nur Zuschauer

André Bugner, Benedikt Bugner, Lisa Hattemer, Julia Thürmer und Nadja Thürmer (von links) holten 2016 als Duos und im Einzel drei WM-Titel nach Rheinhessen. Archivfoto: Michael Thomé
© Archivfoto: Michael Thomé

Nur zwei Jahre nach dem Dreifach-Triumph von Stuttgart ist diesmal kein rheinhessischer Kunstradfahrer bei der WM dabei. Verbandschef Marcus Klein findet dafür mehrere Gründe.

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RHEINHESSEN. Bei der Hallenrad-Weltmeisterschaft werden wieder viele Rheinhessen auf der Tribüne sitzen. „Wer einmal dabei war, der kommt immer wieder“, sagt Marcus Klein. Auch der Vorsitzende des Radsport-Verbandes Rheinhessen (RVR) fährt an diesem Wochenende zu den Titelkämpfen nach Lüttich. Doch ein Blick auf die Teilnehmerliste trübt die Vorfreude des 43-Jährigen: „Rheinhessen ist 2018 ohne Starter. Das ist die bittere Bilanz.“

Noch vor zwei Jahren war der RVR weltweit führend. Lisa Hattemer im Einzel sowie die Duos André Bugner/Benedikt Bugner und Julia Thürmer/Nadja Thürmer holten drei von fünf im Kunstradsport vergebenen Goldmedaillen nach Rheinhessen. Zuvor sorgten auch Katrin Schultheis/Sandra Sprinkmeier jahrelang für Glanz. Seit 2004 war der RVR nicht nur bei jeder WM vertreten. Er feierte dabei auch stets mindestens eine Medaille. Insgesamt waren es in dieser Zeit 14 goldene, acht silberne und eine bronzene „Dass es nun so schnell abbricht, ist heftig“, sagt nun Klein.

Eine komplizierte Verletzung von Benedikt Bugner hat seinem Bruder und ihm die Saison und damit auch den WM-Start gekostet. Alle weiteren ehemaligen Top-Fahrer haben ihre Karriere beendet. „Wir befinden uns nun in einem Tief, doch ich hoffe, dass die Welle wieder hochgeht“, sagt Klein. Um hingegen langfristig oben zu bleiben, fehlen dem RVR in den Augen des Vorsitzenden die finanziellen und personellen Mittel. Einen hauptamtlichen Trainer beispielsweise kann sich der Verband nicht leisten. Klein erinnert sich zurück, als er 1998 als „junger Fachwart“ in einer Sitzung des Radsportverbandes Rheinland-Pfalz gesagt hatte: „Wir müssen überlegen, wie wir im Kunstradsport erfolgreicher werden können.“ Die Antwort habe gelautet: „Bringt Erfolge, dann schauen wir, was möglich ist.“ Und die Erfolge kamen. Geändert hat dies laut Klein an der Förderung hingegen kaum etwas: „An der Struktur hat sich wenig bis nichts verbessert“, sagt er.

Doch nicht nur deshalb sind der goldenen Generation keine rheinhessisches Talente in die Einer- oder Zweier-Weltspitze nachgewachsen. Klein vermisst auch die große Leidenschaft, beispielsweise bei einigen Weltmeistern. Mit großer Freude hat der 43-Jährige gesehen, dass die Gau-Algesheimerin Lisa Hattemer beim Rheinhessen-Pokal Talente aus ihrem Verein betreut hat. „Es wäre schön, wenn da auch die anderen einsteigen würden“, sagt er.

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Immerhin: Wenn die Bugner-Brüder fit sind, gehören sie nächstes Jahr wieder zu den WM-Kandidaten. Im Vierer zählt der VfH Worms zur nationalen Spitze, und beim RV Ebersheim wachsen hier zwei starke Teams nach. Vielen Vereine betreiben in Kleins Augen sehr gute Jugendarbeit, sodass der Rückgang der Athleten-Anzahl geringer ist als in anderen Sportarten. Und doch müssen sich die Rheinhessen erst einmal an das Fehlen der Top-Fahrer gewöhnen. „Ich habe oft gesagt, dass die Erfolge für unseren kleinen Verband nicht selbstverständlich sind“, sagt Klein. Nun zeigt sich dies bei der WM deutlich.